Eine Familie aus Berlin hat eine gemeinsame Leidenschaft: Japan und seine Popkultur

Immer, wenn ich ehrenamtlich am Donnerstag in einer Berliner Grundschule mit Kindern ab der 4. Klasse Manga-Figuren zeichne, sind wir uns alle einig: Manga- das ist schon etwas Besonderes. Während Kinder und Jugendliche durch die Manga-Kunst wie bei einer Initialzündung so richtig ihr künstlerisches Potential entfalten, finden manche Eltern die Manga-Begeisterung ihrer Kinder etwas verdächtig. Zu viele Klischees. Ist das überhaupt Kunst? Dass es sich um eine bemerkenswerte Bild- und Erzählkultur handelt, wissen alle, die sich intensiver mit dem Genre beschäftigen. Als ich der neunjährigen Jasmin an einem Donnerstag über die Schulter schaue, staune ich nicht schlecht. Mit talentierter Hand zeichnet sie Manga-Figuren, die sie sich ausgedacht hat. In diesem Alter ist das hierzulande schon etwas Besonderes. Neugierig geworden spreche ich ihre Eltern an und erfahre Erstaunliches. Alle Familienmitglieder sind Fans der japanischen Popkultur.

Papa Stephan, 36 Jahre alt und in einem Cateringunternehmen beschäftigt, hat schon als Kind Serien wie Captain Tsubasa, Mila und Gundam geschaut.

Mama Anja, 32 Jahre alt und als Erzieherin tätig, sah seit 1998 bei ihrer Freundin Sailor Moon. Seither versuchte sie, die entsprechenden Manga zu kaufen. Da ihre Mutter Angehörige einer religiösen Gemeinschaft war, die diese Interessen nicht tolerierte, konnte sie ihrem Hobby nur heimlich nachgehen.
Als sich Stephan und Anja kennenlernten, stellten sie fest, dass sie die gleichen Interessen hatten. Bald vergrößerte sich die kleine Familie mit den Töchtern Luna (11 Jahre) und Jasmin (9 Jahre).

Anja ist durch ihre Freundin und dem Besuch von Anime Messen zum Cosplay gekommen. Dabei verkörpert sie gern ihren Lieblingscharakter Sailor Moon. Warum gerade diesen, frage ich sie. „Sailor Moon ist eine Heulsuse, aber sie schafft es auch immer, das Gute zu sehen und niemals aufzugeben und genau das bin ich auch.“ erklärt mir Anja.

Doch auch Stephan cosplayt. Ninja von Naruto, Akatsuki Clan, Joker oder Geralt von Riva (The Witcher) sind Charaktere, die er besonders als Cosplay mag.
Beim Charakter Akatsuki begeistert ihn das Düstere und die Outfits. Beim Joker findet er die komplette Antihaltung gut, sagt er mir. Final Fantasy 7 war übrigens Stephans erstes Spiel auf der Playstation 1 und damit für ihn der erste digitale Kontakt zu Japan. „Unsere Kinder sind damit groß geworden“ sagt Anja. Zum Beispiel mit Filmen wie „Mein Nachbar Totoro“ und „Kikis kleiner Lieferservice“. Luna mag Filme mit Drachen, Jasmin findet Sailor Moon toll. Diese zeichnet sie auch. Weil sie das so gut macht, kann man ihre Bilder auf Instagramm sehen. Zum Schluss frage ich Anja und Stephan noch, was sie ganz allgemein an Japan interessiert und was ihnen besonders gefällt. Stephan findet das Thema Samurai und japanische Geschichte spannend sowie Sumo. Japanisches Essen sowieso. Nicht nur wegen des tollen Geschmacks, auch das Streben nach Perfektion bei der Herstellung von japanischem Whisky begeistert ihn. Außerdem findet er den respektvollen Umgang miteinander gut. Anja sagt: „Die japanische Kultur ist überwältigend. Das Kirschblütenfest dort soll sehr schön sein. Ich würde dort erstmal eine Nudelsuppe essen.“ Sie würde auch sehr gern japanisch lernen. So viel Begeisterung ist einfach ansteckend. Daher haben wir kürzlich alle gemeinsam einen Laden mit Figuren und Fanartikeln besucht. Für mich habe ich befunden, dass man dazu nie zu alt sein kann. Ich wünsche dieser netten Berliner Familie von ganzem Herzen, dass sie eines Tages Japan erleben kann und sich ihre vielen positiven Erwartungen erfüllen werden.

Kirsten Hoheisel
Vorstandsmitglied der DJG

Links: Jasmins Zeichnung
Rechts: Jasmin als Sailor Moon

Bild ganz oben: Die Familie auf einer Animemesse.