(DJG) Deutsch-Japanisches Glück Teil 4
Global Water Dances in Kagawa
Ein Bericht unseres Mitglieds Jürgen Maeno, der mit seiner Frau Yoriko und Tochter Erika jetzt in Kagawa lebt
Seit einigen Minuten regnet es. Eilig werden Zelte für dreißig Tänzerinnen und Tänzer aufgebaut. Etwas über 150 Zuschauer drängen sich unter ihren Regenschirmen und blicken in den grauen Himmel, über den Strand in das wolkenverhangene Setouchi-Binnenmeer. An schönen Tagen beginnt um diese Zeit ein japanweit bekanntes Schauspiel aus Sonnenuntergang und Wasserspiegelungen.
Heute warten alle auf die „Mitoyo Dance Creators“. Eine Tanzgruppe aus Laientänzern zwischen zwölf und 79 Jahren. Sie haben ihre Familien im Publikum. Dazu gesellen sich Lokalprominenz, Künstler, Unternehmer, Nachbarn, Vertreter von örtlichen Kultur-Vereinen und der Stadtverwaltung sowie einige Ausländer: man hört Chinesisch, Englisch aber auch Deutsch. Gemeinsam stehen sie im Regen und warten auf zeitgenössischen Tanz. Und sie werden nicht enttäuscht. Die „Mitoyo Dance Creators“ haben lange geprobt und wollen nun ihre Ergebnisse präsentieren.
Die Musik erklingt und die Tänzer verwandeln ihren Strandabschnitt zur Bühne. Ganz in weiß gekleidet, mit einem roten oder blauen Tuch; mal als Flagge, mal als Instrument oder Kleidungsstück benutzt. Ertanzt werden Szenen zu den Themen: Meer, Wasser, Umweltverschmutzung, Plastik, Leben, Liebe, Verantwortung und Gemeinschaft. Für Japan ungewöhnlich ist hier der Tanz sozialkritisch, ja politisch. Neben dem einfachen Kulturkonsum – dem unterhaltenden Aspekt von Tanz – gibt es die Metaebene. Den Tänzern ist dies bewusst. Man sieht es ihnen an. Sie sind keine Hip-Hop-Tanzgruppe. Ihre Bewegungen kommen von innen, sind expressiv und keine einstudierten Abläufe. Eben Ausdruckskunst – nicht Sport.
Nach 40 Minuten laufen die Tänzer ins Watt. Sie entfernen sich mehr und mehr vom Publikum Richtung Meer. Dies ist ein einzigartiger Moment. Die Zuschauer sind leicht verunsichert. Soll man mitgehen? Oder ist der Blick in die Weite gewollt? Kommen die Tänzer wieder zurück? Großartig. Erst jetzt wird die Weite bewusst. Der Fokus schwindet und die Perspektive ermöglicht den Blick auf das Ganze. Man selbst wird Teil des Ganzen. Tänzer, Publikum, Fotografen, Touristen, Krebse, Vögel, Fische, Insel, Meer, Wolken. Wir sind alle wertvoll an diesem Ort. Mit dem Schlussapplaus fällt der letzte Regentropfen. Irgendwie waren wir heute dem Himmel sehr nah.
Global Water Dances versteht das Recht auf sauberes Wasser als ein Menschenrecht. Dieses Recht ist heute weltweit bedroht. Mit Tanz als nonverbales und global verständliches Mittel soll auf dieses Problem hingewiesen werden. Jedes Jahr wird hierfür eine Tanzidee herausgegeben. Jeder Choreograf kann mit diesem Impuls weiterarbeiten. Neben den Proben und der Aufführung sollen auch Workshops zum Thema Nachhaltigkeit angeboten werden. Die „Mitoyo Dance Creators“ besuchten drei Workshops: Sie lernten traditionell japanisches Färben, ihrer Tanztücher. Sie besuchten die Insel Otsutajima und bauten aus Treibholz verschiedene Instrumente für die Aufführung. Mit dem Verein Chichibunokai säuberten sie vor der Aufführung den Strand und erhielten Einblick in die Arbeit des Vereins. Er setzt sich seit 30 Jahren für den Schutz des Strandes ein.
Yoriko Maeno arbeitet als Choreografin im Landunterstützer-Programm Japans. Sie unterstützt dabei die Gemeinde Mitoyo in der künstlerischen Community Arbeit. Hierfür wurden zwei Tanzgruppen gegründet. Einmal für Schüler zwischen 10 und 16 Jahren und eine Senioren-Tanzgruppe. Sie bilden die „Mitoyo Dance Creators“. Am 14. Juni hatten sie ihren ersten großen Auftritt zum internationalen Tanzfest: Global Water Dances.
Chichibugahama Beach (Papa-Mama-Strand) ist seit 2022 der Instagram-Hotspot von Shikoku. Durch eine Laune der Natur bleiben an diesem Strand bei Ebbe viele mittelgroße Tümpel liegen. Bei gutem Wetter entstehen dann Spiegelungen. Auf Fotos hat dies dann eine fantastische Wirkung. Himmel und Erde verschmelzen.